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Jahrringkalender

 

Aufbau einer nacheiszeitlichen Eichenjahrringchronologie für Westeuropa

(Hierzu finden sich Literaturhinweise z.B. in: B. Schmidt, H. Köhren-Jansen, K. Freckmann. Kleine Hausgeschichte der Mosellandschaft (Schriftenreihe zur Dendrochronologie und Bauforschung 1) 2. Aufl., Köln, 2000.)

Als einen besonderen Schwerpunkt dendrochronologischer Forschung sieht man seit Anfang der 70er Jahre den Ausbau der absoluten Eichenchronologie für Westeuropa auch für ältere Zeitabschnitte. Unter Berücksichtigung regionaler Klimaunterschiede sind bereits zuvor 1000-jährige Eichenchronologien für Hessen und Süddeutschland (22) sowie für Westdeutschland (23) zusammengestellt worden. Untersuchungen an rezenten Eichen verschiedener Standorte in Norddeutschland haben zunächst zu keiner ausreichenden Kurvenübereinstimmung geführt. Doch weitere Analysen mit größerem Probenmaterial deuteten schließlich darauf hin, dass auch in diesem Gebiet die Jahrringanalyse zur Anwendung kommen kann (24). In den folgenden Jahren kamen durch zahlreiche Untersuchungen weitere Jahrringchronologien hinzu, wie z. B. für Nordirland (25), Südengland (26), Süddänemark (27). Mecklenburg (28), das Weserbergland (29) oder die Nordschweiz (30). Erste Untersuchungen an Eichenfunden aus den Kieslagen der Flüsse Donau und Main waren erfolgversprechend (31).

Im Jahre 1972 begannen im Kölner Labor die Arbeiten mit der gleichen Zielrichtung. Dabei lag ein Schwerpunkt auf der Untersuchung von Eichenstämmen aus den Weserschottern zwischen Hameln und Rinteln sowie aus vermoorten Altarmen des Rheins (32). Die Analysen weiterer Eichenfunde, ebenfalls aus dem Weserabschnitt Hameln/Rinteln, zeigten, dass mit diesen Funden die noch bestehenden Lücken kaum verringert werden konnten. Dies dämpfte die Erwartung, in absehbarer Zeit größere Chronologieabschnitte zwischen 6000 v.Chr. und Christi Geburt zusammenfügen zu können (33). So erschien es sinnvoll, das Untersuchungsgebiet auf Schleswig-Holstein und
weitere Gebiete an Rhein und Ems auszudehnen, in der Hoffnung, dort auf mehr Eichenfunde zu stoßen, die in schwach belegte Zeitspannen fallen. Inzwischen waren über 800 Eichen untersucht; dabei stellte sich heraus, dass die Anzahl der Holzfunde für einen sicheren Zusammenschluss bisheriger Teilchronologien noch nicht ausreichte (34).

Während eines Symposiums im Jahre 1974 in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, das unter dem Thema stand: "Die Dendrochronologie des Postglazials, Grundlagen und Ergebnisse", wurde eine Zusammenarbeit zwischen den Dendrochronologen, die sich vorrangig mit dem Aufbau älterer Chronologien des Postglazials beschäftigen, verabredet. Erste Ergebnisse dieser Zusammenarbeit zeigten, dass sich Eichenchronologien von Donau, Main, Fulda und Weser verknüpfen lassen (35).

Einen wichtigen Beitrag zum Aufbau des Eichenjahrringkalenders der Nacheiszeit hat E. Hollstein (36) geleistet, als er seinen lückenlosen Kalender von der Gegenwart bis in das 8. Jh. v.Chr. vorstellte - das Ergebnis einer zwanzigjährigen Arbeit. Da E. Hollstein vorwiegend mit archäologischen Eichenholzfunden arbeitete, bestand seitens der Archäologen reges Interesse am Aufbau seiner westdeutschen Eichenchronologie. Als B. Becker (37) einen ebenfalls lückenlosen Eichenjahrringkalender für den süddeutschen Raum bis 370 v.Chr. bekannt gab, konnte die Richtigkeit von E. Hollsteins westdeutscher Eichenchronologie nun auch seitens der Dendrochronologie jahrgenau bestätigt werden.

Aus dendrochronologischer Sicht war dieses Ergebnis für den weiteren Ausbau der absoluten Jahrringchronologie von Bedeutung; denn es standen bereits weitere noch "schwimmende" Chronologien für einen Anschluss an die Absolutchronologie zur Verfügung.
Die bis 724 v. Chr. reichende westdeutsche Eichenchronologie (38) konnte mit einer Chronologie, die aus Hölzern eines Bohlenweges bei Diepholz (Dümmer) aufgebaut worden war, verzahnt und bis 963 v.Chr. verlängert werden (39). Da diese Bohlenweghölzer eine sichere Synchronlage mit Eichen aus dem Maingebiet, die B. Becker untersucht hatte, ergaben, ließ sich der Kalender weiter bis 1462 v.Chr. (40) und nur kurze Zeit später bis 2061 v.Chr. (41) verlängern.

Bei der im Kölner Labor erstellten Chronologie (von 2061 v.Chr. bis 374 n.Chr.) sind vorwiegend Eichen aus Nordniedersachsen und Schleswig-Holstein berücksichtigt.
In Zusammenarbeit mit M. Baillie und .T. R. Pilcher (Palaeoecology Laboratory, University of Belfast) und B. Becker (Universität Stuttgart-Hohenheim) stellte sich heraus, dass die Übereinstimmungen zwischen den Chronologien für Norddeutschland und Nordirland im gesamten Zeitraum von 2000 bis 1000 v. Chr. über alle Erwartungen gut sind. Da der Ähnlichkeitsgrad zwischen den Kurven Nordirland-Norddeutschland (t = 5,9) ebenso hoch ist wie der zwischen Norddeutschland und Süddeutschland (t = 5,89), konnte eine sichere Synchronisierung der norddeutschen und irischen Chronologien erreicht werden.

Als ein Ergebnis dendrochronologischer Forschungen an Eichen aus Nordirland, Nord-und Süddeutschland liegt nun ein absolut datierter lückenloser Kalender von 7272 Jahren vor, der bis zum Jahre 5289 v.Chr. zurückreicht (42). In jüngster Zeit konnte schließlich eine weitere Lücke in der süddeutschen Eichjahrringsequenz mit Hilfe zahlreicher Eichenfunden aus Schleswig-Holstein geschlossen werden, so dass sich der absolute Jahrringkalender nun bis 7237 v.Chr. erstreckt. Somit reicht der westeuropäische Eichenjahrringkalender mit über 9000 Jahren weiter zurück als der bisher längste Kalender, die 8681jährige Kiefernchronologie (pinus aristata und pinus longaeva) aus den White Mountains in Kalifornien, USA. Weitere wesentliche Verlängerungen des europäischen Eichenjahrringkalenders können kaum erwartet werden, da die Eiche etwa erst zu dieser Zeit wieder in unser Gebiet eingewandert ist.